Wie sich das gehört, war auch ich am 4. Januar
im Ausgang. Zusammen mit einem Freund besuchten wir
das Bar und Pub Festival in Weinfelden. Zum ersten
Mal fühlte ich mich an diesem Abend wieder besser.
Also, wenn ich ehrlich bin, ging es mir sehr gut.
In der Woche zu vor warf mich ein „Grippevirus“
ins Bett.
Ich hatte das Gefühl, es ginge mir so gut wie
schon lange nicht mehr. So feierte ich diesen Abend
mit ziemlich viel Bier.
Auf der Rückfahrt sagte ich zu meinem Kollegen,
dass ich jetzt mein Leben verändern will. Ich
werde mir gleich am Montag einen Termin bei meinem
Hausarzt geben lassen. Danach verabschiedeten wir
uns und ich fuhr nach Hause. Bevor ich mich ins Bett
legte, stellte ich meinen Computer ab und räumte
noch meinen Schreibtisch auf… |
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5. Januar 2003, 09:58 Uhr.
Schweissüberströmt, mit undefinierbaren
Schmerzen in Brust und in beiden Ellbögen erwachte
ich. Sofort suchte ich die Toilette auf, wusste aber
nicht genau ob ich mich zuerst setzen oder übergeben
soll. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern.
Nachdem ich mich übergeben hatte, rief ich meine
Mutter, die gerade im unteren Geschoss das Bad aufsuchte.
Sie kam hoch und fragte mich was los sei. Meine Schwester
bekam das mit, was ich meiner Mutter erzählte.
Während meine Mutter mit mir zum Hausarzt fuhr,
wurde dieser durch meine Schwester informiert.
Nach einer kurzen Kontrolle, fuhr meine Mutter mit
mir weiter in die Notaufnahme des Kantonsspitals Frauenfeld.
Die Strasse war schneebedeckt. Auf der Notaufnahme
wurde ich bereits erwartet. Sofort wurde ich dem EKG
(Elektrokardiogramm) angehängt und eine Infusion
gesetzt. Es war 11:03Uhr. Anschliessend wurde ich
informiert, dass ich einen Herzinfarkt hätte,
und mit einem Notarztwagen in die Herzklinik nach
Kreuzlingen überführt werde. Auf der Fahrt
versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Ich kann mich
erinnern, dass mich die der Arzt fragte ob die Möglichkeit
auf eine Vererbung möglich sei oder was sonst
die Ursache sein könnte. Auf die Frage, ob ich
Raucher sei, antwortete ich mit „jetzt nicht
mehr“.
In der Herzklinik wurde ich sofort in ein OP gebracht,
wo man sofort mit einer Rekanalisation begann. Auf
meiner linken Seite hingen drei Monitore die für
die Koronaragiographie (Darstellung der Herzkranzgefässe)
notwendig sind. Auf dem einen wird der Herzschlag
aufgezeichnet, die anderen sind für die Angiographie.
Der Arzt führte mir dazu bei der Leiste einen
Katheter in die Hauptschlagader ein. Dieser wird mit
Durchleuchtung (Röntgenstrahlen) und Kontrastmittel
hinauf bis in das Herz geführt. Mir wurde jeder
Schritt genau beschrieben. Bei der verstopften Stelle
wurde ein Ballon aufgeblasen, damit die Stauung wieder
aufgelöst wird. Da alle Herzkranzarterien glattwandig
waren, dass heisst keine „Verkalkung“
sichtbar war, beschloss der Arzt, keinen Stent einzulegen.
Mehr darüber findest du im Bereich Herzinfarkt.
Danach zog er den Katheter wieder aus dem Herz heraus.
Mir wurde mitgeteilt, dass die Möglichkeit bestehe,
dass das Herz einen kurzen Augenblick aussetzen könnte,
was es auch machte. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl.
Es ist eine Ruhe und ein Warten, bei der die kurze
Zeit sehr lange dauern kann. Noch heute habe ich sehr
grossen Respekt vor diesem Moment.
Kurz nach 13:00 Uhr wurde ich auf die Intensiv-Station
verlegt, wo ich unter ständiger Aufsicht lag.
An dieser Stelle, wo der Arzt den Katheter in die
Arterie eingeführt hatte, wurde mir ein Druckverband
angezogen. Hier passt der Name Druckverband sehr gut,
da er mit voller Kraft auf die Leiste im Schritt drückt.
Noch Wochen später waren blaue Flecken sichtbar.
Diese Nacht war nicht wirklich sehr angenehm. Wenn
ich mich nur ein klein wenig bewegen wollte, drückte
der Verband in den Schritt und immer wieder wurden
durch Rhythmus-Störungen der Alarm ausgelöst.
Ich erfuhr dann, dass dies nach einem solchen Eingriff
ganz normal sei. Zum ersten Mal hatte ich auch Zeit
um mir zu überlegen, was da eigentlich passiert
war…
Am Dienstagmorgen wurde ich zurück nach Frauenfeld
auf die Intensiv-Station verlegt. In der Arztvisite
vom Mittwoch wurde mir mitgeteilt, dass nur kleinere
Schäden vom Infarkt bestehen bleiben werden.
Auch wurde mir gesagt, dass man auf der Suche nach
der Ursache für den Herzinfarkt sei und das Blut
sehr genau untersucht habe. Man hätte dabei festgestellt,
dass die Ursache eine Leukämie sein könnte.
Um diese Diagnose zu bestätigen, wurde ich am
Donnerstag in das Kantonsspital nach St. Gallen gebracht.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung was Leukämie
ist und was dies zu bedeuten hatte. Ich war überzeugt,
dass der Herzinfarkt schlimmer war. |
Am Donnerstag wurde ich mit der Ambulanz nach St.
Gallen gefahren. Eine Pflegefachfrau empfing mich
um 10:30 Uhr. Sie quartierte mich im Zimmer 101 (ein
Einzelzimmer) ein und instruierte mich über den
weiteren Verlauf. Dann durfte ich zum ersten Mal selber
aufstehen und die Toilette aufsuchen. Als ich wieder
heraus kam, standen ziemlich viele Ärzte in meinem
Zimmer und warteten auf mich. Ich musste mich hinlegen
und mir wurde aus dem Beckenkammknochen eine Knochenmarkprobe
entnommen. Es war ein sehr unangenehmes Gefühl.
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Am Freitagmorgen, 10. Januar 2003 bekam
ich die definitive Diagnose, dass ich an einer akuten
myeloischen Leukämie erkrankt war. Noch immer
war mir nicht bewusst, was dies für mich und
meine Zukunft heisst.
Ich wurde genau über den Verlauf der Chemotherapie
und die möglichen Nebenwirkungen informiert.
Von Beginn an vertraute ich den Ärzten und dem
Pflegepersonal! |